20.09.2009
Aktuelles
Erfahrungsbericht Atemschutzwartlehrgang Feuerwehr Hamburg
Was haben Köln, Tübingen, Göttingen und Berlin mit der Feuerwehr Hamburg zu tun?
Vom 8.9 bis zum 10.9. fand im Fachbereich Atemschutz der Feuerwehrakademie ein gemeinsamer Lehrgang von Angehörigen der FF und BF statt. In diesem Lehrgang wurden die Grundsätze des Atemschutzeinsatzes und der derzeitige Entwicklungstand des Atemschutzkonzeptes der Feuerwehr Hamburg vermittelt.
Zu Beginn des ersten Tages referierte Klaus Lochmann über die Bedeutung der körperlichen Fitness im Atemschutzeinsatz und die Bemühungen der Feuerwehr Hamburg, die körperliche Belastbarkeit ihrer Angehörigen zu steigern.
Grundlage des FitForFire – Programmes ist die in Baden–Württemberg durchgeführte STATT – Studie. In dieser Studie wurden die Atemschutzgeräteträger im Brandhaus der LFS Baden–Württemberg während einer einsatznahen Übung medizinisch überwacht und die Ergebnisse ausgewertet. So kam zum Vorschein, dass nur sportlich aktive Feuerwehrangehörige die Belastung des Atemschutzeinsatzes aushalten, ohne dass sie gesundheitliche Risiken eingehen. In fast allen Bundesländern gibt es Sportprogramme als Reaktion auf die Ergebnisse der STATT-Studie. Ein Feuerwehrfitnessabzeichen ist, als zusätzlicher Anreiz für Feuerwehrangehörige sich fit zu halten, in Arbeit.
In Zusammenarbeit mit F03 (technische Abteilung) wurden die Lehrgangsteilnehmer darin unterrichtet, was im Zusammenhang mit dem Überdruck-Atemanschluss (Maske) Panorama Nova der Feuerwehr Hamburg zu beachten ist und welche Probleme durch Fehler in der Anwendung entstehen können.
Wichtig sei, dass die Maske gem. Dienstanweisung 03-3 gereinigt und gewartet und in der Maskendose nur die Maske gelagert werde. Fremdkörper in der Maske könnten sich in die Ventile der Maske setzen und zu einer Fehlfunktion führen. Wenn die rote Schutzkappe vor dem Ausatemventil im Übungs- und Einsatzdienst abfalle, so sei sie außer Dienst zu nehmen und sofort bei F03 einzutauschen.
Brandoberinspektor Lars Lorenzen, Fahrzeugführer an der FuRw Rotherbaum, referierte über den aktuellen Stand des Atemschutzkonzeptes der Feuerwehr Hamburg in den drei Bereichen:
Unfallprävention im Atemschutzeinsatz
o Atemschutznotfall: Sofortmaßnahmen zur Eigenrettung
o Atemschutznotfall: Maßnahmen des Sicherheitstrupps
Grundlage der Ausbildung ist die aktuelle Umsetzung einer ganzheitlichen Neuorganisation des Atemschutzes bei der Feuerwehr Hamburg.
Im theoretischen Teil wurde ein besonderes Augenmerk auf die Auswertung der Unfallberichte Köln, Berlin-Moabit, Tübingen und Göttingen gelegt, um aus den dort gemachten Fehlern die notwenigen Konsequenzen zu ziehen. Die Untersuchungen dieser tragischen Ereignisse zeigten jeweils unterschiedlichste Auslöser. Neben eindeutigen „von Menschenhand“ produzierten Fehlern oder „technischen Ursachen“ wurde deutlich, dass insbesondere viele kleine Fehler (Unachtsamkeiten) sich in einer Fehlerkette derartig verselbstständigen können, dass sie zu einer ernsten Gefahr für den Atemschutztrupp werden können.
Teilursachen waren unter anderem:
– Mangelhafte Atemschutzüberwachung
– Taktikfehler (Bsp.: am Feuer „vorbeilaufen“)
– Eigenständige Handlungen ohne Befehl (Bsp.: Einschlagen von Scheiben)
– Technische Probleme (thermische Überlastung des Lungenautomaten, unkontrolliert auslaufende Feuerwehrleine,..)
– Falsche Fortbewegung bei Sichteinschränkungen
Alle ausgewerteten Ursachen sind den Unfallberichten zu entnehmen.
Lorenzen verwies insbesondere darauf, dass die Verantwortung für die Atemschutzüberwachung beim Gruppen- bzw. Fahrzeugführer liege und ein weiterer Feuerwehrangehöriger (i. d. R. der Maschinist) diesen nur unterstütze. Dennoch sind Atemschutztrupps auch in einer „Bringeschuld“ , nämlich dann wenn sie z.B. ihren Zielort (Bsp.: Brandstelle) erreicht haben. Atemschutztrupps sind also in der Pflicht der Atemschutzüberwachung zuzuarbeiten indem sie das Erreichen des Zielortes inkl. aller aktuellen Restdrücke mitteilen. Jeder Atemschutzüberwacher müsse nun in der Lage sein aus dem aufgebrauchten Atemluftvorrat für den Hinweg einen Rückzugsdruck für jeden Atemschutzgeräteträger nach FwDV 7 festzulegen.
Im ersten praktischen Teil des Lehrganges wurde der Umgang mit dem Pressluftatmer PSS 90 geübt. Es wurden einfache Handgriffe mit dem Gerät erprobt, wobei der Schwierigkeitsgrad der Übung immer weiter gesteigert wurde. Am Ende der Übung wurde den Teilnehmern komplett die Sicht genommen.
Ein sehr häufig auftretendes Problem sind sich selbsttätig schließende Flaschenventile. Hier kommt es zu einer abrupten Unterbrechung der Atemluftzufuhr, welche durch einen schnellen Griff (s.g. Griffreflex) ans Flaschenventil wieder aktiviert werden kann. Diese technische Störung kann ausgelöst werden durch Kontakt an Wänden, Türzargen, Türblättern oder dem Fußboden.
Im zweiten Praxisteil übte Lorenzen mit den Teilnehmern das Auffinden und Retten eines verunglückten Atemschutzgeräteträgers. Er unterwies die Teilnehmer im Herstellen des s.g. Sicherheitspacks, welches die Feuerwehr Köln nach dem tödlichen Dienstunfall eines Atemschutzgeräteträgers einführte. Dieses besteht aus einem Bergetuch, einem PA zur Sicherstellung der Atemluftversorgung, einer Bandschlinge, einer Maske und einer weiteren Bandschlinge sowie zwei Karabinerhaken. Dieses wird mit einer Feuerwehraxt so zu einem tragbaren Paket zusammengefügt, dass es in die Einsatzstelle mitgeführt werden kann.
Beim Auffinden des verunglückten Atemschutzgeräteträgers hat der Sicherheitstruppführer zunächst die Lage zu erkunden, ob für den verunfallten Atemschutzgeräteträger Lebensgefahr besteht. Ist dies der Fall, so ist sofort eine Crashrettung einzuleiten. Dabei ist der Verunglückte so schnell wie möglich in einen sicheren Bereich (z.B. rauchfreier Bereich, Flur, Balkon) zu transportieren. Hierbei bietet es sich an, den verunglückten PA-Träger an der Begurtung des Pressluftatmers zu packen und aus dem gefährlichen Bereich zu schleifen. Hilfreich ist hier eine Bandschlinge oder durch die PA-Begurtung geführte Feuerwehraxt. Größter Nachteil dieses Vorgehens ist allerdings das Verrutschen der Atemschutzmaske auf dem Gesicht des Atemschutzgeräteträgers oder das abknicken des Mitteldruckschlauches an der Lungenautomatenleitung. In der neuen Schutzkleidung „V-Force“ (Hersteller: Lion Apparel, bereits teilw. bei der BF Hamburg eingeführt) ist daher für solche Fälle eine Rettungsschlinge in die Jacke eingearbeitet.
Ist eine „patientengerechte Rettung“ möglich, so ist zunächst der Restdruck des Verunglückten und des anderen Truppmitgliedes zu kontrollieren. Wird die Luft knapp, so gibt es verschiedene Möglichkeiten, diese sicherzustellen:
– Umstecken des Lungenautomaten (grüne Phase Mittel der Wahl in HH)
– Umkuppeln der Mitteldruckleitung (gelbe Phase)
– als allerletzte „theoretische“ Möglichkeit das Anlegen einer neuen Maske (rot).
Der Sicherheitstruppführer muss auch den Restdruck des zweiten ggf. nicht verunglückten Truppmitgliedes beachten. Dieser ist entweder mit dem verunglückten Truppmitglied zu retten oder, wenn der Restdruck hierfür nicht ausreicht, durch einen zweiten Sicherheitstrupp herauszuführen.
Ist die Luftversorgung ausreichend oder durch einen Rettungspressluftatmer sichergestellt, so ist die Transportfähigkeit des verunglückten Atemschutzgeräteträgers herzustellen.
Zurzeit wird bei der Feuerwehr Hamburg hierfür das Bergetuch eingesetzt. Dieses ist flach auf dem Boden neben dem Atemschutzgeräteträger auszubreiten und er ist auf das Tuch zu rollen. Der eigentliche Pressluftatmer ist abzunehmen und der Rettungspressluftatmer auf den Atemschutzgeräteträger zu legen. Mithilfe der Karabinerhaken ist eine Rettungswindel herzustellen.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass für die Rettung eines verunglückten Atemschutz-geräteträgers ein Sicherheitstrupp NICHT ausreicht. Je nach Lage ist der Sicherheitstrupp durch ein bis zwei Trupps zu verstärken. Wichtig ist allerdings auch, dass es bei der Rettung zu keinem „Retterstau“ kommt und die direkte Rettung von einem Sicherheitstruppführer vor Ort koordiniert wird.
Abschlussübung
Ausgangslage für die Abschlussübung war ein verunglückter Atemschutztrupp, der zur Brandbekämpfung mit einem C-Strahlrohr in eine Industriehalle vorging. Auf dem Weg zum Brandort stürzte der Truppführer und brach sich den Unterschenkel. Aufgrund von starken Schmerzen und Angstattacken erhöht sich das Atemminutenvolumen des Verunfallten derart, dass die Atemluft nicht für eine Crashrettung ausreicht (45bar). Der Trupppartner (120bar) macht einen gefassten Eindruck und handelt auf Anweisungen.
Die Eindringtiefe des Trupps betrug nicht einmal 15 Meter und er befand sich noch im Erdgeschoss. Trotz dieser überschaubaren Lage waren insgesamt zwei Trupps notwendig, um:
o die Luftversorgung des Atemschutzgeräteträgers sicherzustellen
o das zweite Truppmitglied zu evakuieren
o den Transport mit der Rettungswindel einzuleiten und das Truppmitglied mit dieser auf dem Boden nach draußen zu schleifen.
Es hat sich auch in der Praxis gezeigt, dass es für den Einsatzerfolg besonders wichtig ist, dass die unmittelbaren Rettungsmaßnahmen durch einen (!) Führer koordiniert werden und Funkdisziplin gehalten wird.
Eine größere Eindringtiefe von 2 bis 3 C-Längen (30 bis 45 m), die Rettung über eine Treppe oder Hindernisse hätten die Rettung deutlich erschwert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rettung eines verunglückten Atemschutzgeräteträgers nur dann gelingen wird:
– wenn es im Vorwege klare und einheitliche Einsatz- und Ausbildungskonzepte gibt, die regelmäßig unter einsatznahen und harten Bedingungen geübt werden
– und die Ausrüstung entsprechend ergänzt wird.
Die derzeit an der Feuerwehrakademie angebotene Ausbildung zum Notfallkonzept bedeutet einen deutlichen Sicherheitsgewinn für die Atemschutzgeräteträger der Feuerwehr Hamburg und sollte somit zum regelmäßigen Pflichtprogramm in den Wehren werden. Dieses Jahr werden noch weitere Atemschutzwart-Lehrgänge angeboten (siehe Florian-Portal). Die Teilnahme kann ausdrücklich für alle Führungskräfte und Atemschutzwarte empfohlen werden.
Dieser Erfahrungsbericht gibt nur einen begrenzten Einblick in die in diesem Lehrgang vermittelten Lehrinhalte.
Text: Sven Koopmann, FF Altona und Lars Lorenzen, FuRw 13
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