12.11.2010
Aktuelles
Immer mehr Aufgaben für ehrenamtliche Brandschützer
Feuerwehr-Unfallkasse mahnt: Wehren sollten kürzer treten
Gefahrenabwehr am Limit? Unter diesem aufrüttelnden Motto hatte die Hanseatische Feuerwehr-Unfallkasse Nord (HFUK) Führungskräfte der Städte und Gemeinden sowie der Freiwilligen Feuerwehren zum zweiten HFUK-Kommunalforum nach Lübeck-Travemünde geladen. Und es wurde wieder einmal Zeit, miteinander ins Gespräch zu kommen: Dass die HFUK Nord die richtigen Themen auf die Agenda gesetzt hat, zeigte der Zuspruch für die zweitägige Fachtagung, die bereits Wochen vorher mit 180 Teilnehmern ausgebucht war.
Am ersten Tag standen Fachbeiträge auf dem Programm, die sich mit dem Aufgabenspektrum der Freiwilligen Feuerwehr und dem Leistungsspektrum der HFUK Nord befassten. Mehrere Dinge wurden deutlich: Die Feuerwehren arbeiten personell mit den ihnen zugewiesenen Aufgaben vielerorts am Limit. Beiträge wie die von Kreiswehrführer Ralf Thomsen geschilderten der Einsätze der Feuerwehren im Landkreis Ostholstein während des Winters 2010, zeigten dies deutlich auf. Und das die Personaldecke dünner und dünner wird, ist mittlerweile zum flächendeckenden Problem geworden. Verschiedene Aktionen und Initiativen steuern dagegen, wie die Kampagne „Köpfe gesucht“ des Landesfeuerwehrverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die von Landesbrandmeister Heino Kalkschies vorgestellt wurde. Michael Thomalla, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindesbundes Mecklenburg-Vorpommern, wies in seinem Beitrag darauf hin, dass Städte und Gemeinden als „Unternehmer“ nicht nur für die Sicherheit der Bürger sondern auch für die Sicherheit ihrer Feuerwehrangehörigen die Verantwortung tragen. Dies schließt Fürsorgepflichten des Unternehmers hinsichtlich der Unfallverhütung und gesundheitlichen Prävention ein.
Gesundheitsmatrix angedacht
Der gesundheitlichen Prävention für Feuerwehrangehörige hat sich auch die HFUK Nord verschrieben. Mit Präventionsprojekten wie „FitForFire“ ging die Kasse bereits in den ver-gangenen Jahren neue Wege. Nun macht sie sich auch für eine Gesundheitsmatrix innerhalb der Feuerwehren stark, die je nach Funktion und Tätigkeit beschreibt, welche Anforderungen an die gesundheitliche Eignung des bzw. der Feuerwehrangehörigen gestellt werden. HFUK Nord-Geschäftsführer Lutz Kettenbeil setzte in seinem Vortrag mit Vorstellungen zu einer solchen Matrix ein Zeichen Richtung Zukunft: „Wenn immer weniger Einsatzkräfte zur Verfügung stehen, steigen die Anforderungen an deren Fitness und Gesundheit. Gleichzeitig werden die Belegschaften der Feuerwehren älter – Zeit also, darüber nachzudenken wie man dafür sorgt, dass „„alle die mitmachen wollen, auch können““ und gemäß den Anforderungen so eingesetzt werden, dass keine gesundheitlichen Bedenken bestehen. Die Zeiten des Einheitsfeuerwehrmannes, der alles weiß und alles kann, sind vorbei. Wissen und Können, d.h. fachliche und körperliche Eignungen müssen entsprechend den tatsächlichen Funktionen innerhalb des Einsatzdienstes oder der Feuerwehr bei Ausbildung, Verwaltung und Übungen bewertet werden“, so Kettenbeil weiter.
Zahlreiche und anregende Diskussionsbeiträge im Anschluss an die Vorträge zeugten von der Aktualität der Themen. Landesbrandmeister Detlef Radtke vom Landesfeuerwehrverband Schleswig-Holstein mahnte an, den demografischen Wandel als das Probleme der Zukunft anzupacken: „Würde der flächendeckende Brandschutz immer mehr ausgedünnt, müssten hauptamtliche Kräfte ersatzweise eingestellt werden. Personalkosten in Milliardenhöhe oder Hilfeleistung mit einem Null-Standard kämen auf die Flächenländer zu.“
Wehren übernehmen immer mehr Aufgaben
Die Aufgabenverdichtung in den Freiwilligen Feuerwehren führt zu zusätzlichen Proble-men. Immer weniger machen immer mehr. Und längst beschränkt sich die Arbeit einer Freiwilligen Feuerwehr nicht mehr auf die Brandbekämpfung und die technische Hilfeleistung. Ilona Matthiesen und Stefan Eibisch vom Sachgebiet Leistungen der HFUK Nord skizzierten in ihren Beiträgen, in welchen Bereichen die Wehren tätig sind. Das Aufgabenspektrum erstreckt sich mittlerweile auch auf Einsätze als medizinische Ersthelfer, sogenannte „First-Responder-Dienste“ und weitere Tätigkeiten im Dienste der Gemeinde. Kritisch beobachtet wird die Tendenz, von ehrenamtlich tätigen Feuerwehrangehörigen Straßen reinigen oder Straßenlampen auswechseln zu lassen. Auch Bäume werden von Feuerwehrleuten ausgeästet, wenn der örtliche Bauhof an die Grenze seiner Möglichkeiten stößt oder dessen hauptamtliche Mitarbeiter Feierabend und dennoch die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Mit planbaren Aufgaben sollte die Freiwillige Feuerwehr nicht betraut werden, schließlich sei sie versicherungsrechtlich ein Unternehmen zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen.
Beratung ist auch Prävention
In der Regel sehen Bürgermeister und Kämmerer die Aufsichtspersonen der HFUK Nord am liebsten von hinten. So die landläufige Meinung. Dass dies auch anders sein kann, wusste die Anne Jugert aus dem Sachgebiet Prävention der HFUK Nord zu berichten: „Für die Gemeinde ist es sehr wohl von Vorteil, sich rechtzeitig, also weit vor Baubeginn, von den Fachleuten des Unfallversicherungsträgers beraten zu lassen. So kann späteren Forderungen nach Einbau weiterer Sicherheitstechnik vorgebeugt werden. Fehlinvestitionen werden vermieden“, so Anne Jugert. Die Beratungs-leistungen der HFUK Nord seien kostenlos und für jede Gemeinde abrufbar. Dabei sei von Vorteil, dass sich die Fachleute der Prävention jeden Tag mit Neu-, Um- und Anbauten von Feuerwehrhäusern beschäftigen. Die Erfahrung zeige, dass es selbst für erfahrene Architekten eine Herausforderung darstelle, ein Feuerwehrhaus „nach Norm“ zu bauen und auch noch die Gegebenheiten des unfallsicheren Einsatzbetriebes zu berücksichtigen.
„Böhmische Dörfer“ liegen oft in China
Tatsächlich sprach Jürgen Kalweit, Präventionschef der HFUK Nord, nicht über „Böhmische Dörfer“, wohl aber über die Fallstricke bei der sicherheitsgerechten Beschaffung von Feuerwehrgerät und Persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Damit führte er die Teilnehmer in die Wunderwelt der Fälschungen und Plagiate. Überall dort, wo in Europa hohe Standards in Sachen Sicherheit gesetzt werden, hat das Produkt natürlich seinen (hohen) Preis. Dieser basiert nicht zuletzt auf den Forderungen der Benutzer und den Vorgaben der Unfallverhütungsvorschriften. Die Konformität des Produktes mit den Sicherheitsvorschriften wird durch Prüfbescheinigungen und Sicherheitszeichen an dem Produkt selbst nachgewiesen. Wenn ein Hersteller die Produkte in der Güte nicht herstellen kann oder will, wird leider immer öfter der Weg der Fälschung oder Irreführung beschritten. Dies bringt Gewinn. So mutiert das CE-Zeichen, europäisches Synonym für geprüfte Sicherheit, durch minimale Veränderungen zur „Kurzbezeichnung“ CE, die für „Chinese Export“ steht, aber zum Verwechseln ähnlich aussieht. Vorsicht ist also angesagt. Beratung durch die HFUK Nord kann auch hier vor falschen Investitionen schützen. Auch hier gilt die alte Weisheit: Wer billig kauft, kauft doppelt.
Chancen erkennen und Nutzen
Jutta Hartwieg, Landrätin des Kreises Segeberg, wandte sich in Ihrem Referat „Fit for Fire – fit for Future“ insbesondere an die Führungskräfte in der Freiwilligen Feuerwehr und zeigte ihnen die Grundsätze der Unternehmensführung und die Regeln für Führungskräfte in der Wirtschaft auf. Dabei griff sie auf Erfahrungen aus ihrem „früheren Leben“ als Unternehmensberaterin zurück. Als Coach der Polizei und der Feuerwehr Hamburg hatte sie den Führungskräften vermittelt, nicht nur „nette Menschen“ zu sein, sondern Ziele vorzugeben, deren Einhaltung zu kontrollieren und Grenzen aufzuzeigen. Teile dieser Führungskultur würden zwar mit den Vorgaben bei der Einsatzführung der Feuerwehren übereinstimmen – es bleibe jedoch immer noch eine Lücke in der Menschenführung. Ein Feuerwehrführer müsse nicht nur den Dienstgrad und die Funktion übernehmen, sondern auch den Führungsauftrag innerlich übernehmen und vorleben, wenn er ein bestimmtes Ziel mit seiner Mannschaft erreichen will. Der Vorgesetzte habe auch heute noch Vor-bildfunktion im wahrsten Sinne des Wortes.
Von der grauen Theorie zur Praxis …
„Wer die für die Feuerwehr geltenden Unfallverhütungs- und Sicherheitsvorschriften um-setzen will, muss einen langen Atem haben“, wusste der Kreis-Sicherheitsbeauftragte Horst Stechel aus dem Landkreis Mecklenburg-Strelitz zu berichten. Nach wie vor sei der Bürgermeister jeder Gemeinde für die Prävention innerhalb der Feuerwehr verantwortlich. Der Wehrführer wie auch der Sicherheitsbeauftragte unterstützt den Bürgermeister in fachlicher Hinsicht. Hat offiziell und schriftlich eine Aufgabenübertragung auf den Wehrführer stattgefunden, arbeiten Wehrführer und Sicherheitsbeauftragter Hand in Hand auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung. Notwendige Finanzmittel müsse jedoch der Bürgermeister bei der Gemeinde- oder Stadtvertretung einwerben. „Mit der Unfallverhütung im Feuerwehrdienst sei es wie mit dem Essen“, meinte Stechel. Wenn es grau und fade sei, schmecke es auch nicht. Man müsse den Feuerwehrangehörigen schon Appetit machen, die Sicherheit im Feuerwehrdienst zu erhöhen. Dabei benötigen besonders kleinere Feuerwehren Hilfe von außen. Hier sei auch die HFUK Nord mit neuen Ideen gefragt. Der Kreis-Sicherheitsbeauftragte mahnte auch eine intensivere Schulung der Kreis-Sicherheitsbeauftragten wie auch eine Schulung der Sicherheitsbeauftragten in kleineren Gruppen an. Im Interesse der Prävention rief Stechel alle Funktionsträger zum „Durchhalten“ in Sachen Sicherheit auf. Es lohne sich mit jedem verhüteten Unfall.
Fazit: Niveau von 86 % mit gut bis sehr gut bewertet
Mit 180 Teilnehmern war die Kapazität der Ostsee-Akademie erreicht. Auch wenn das Kommunalforum schon Wochen vorher ausgebucht war, stellt sich der Veran¬stalter immer die Frage, ob die Teilnehmer mit dem Gebotenen auch zufrieden waren. Dies ist offensichtlich der Fall. Eine Auswertung der Fragebögen zum Forum zeigte, dass die Teilnehmer die Organisation des Forums zu 97 % mit „gut bis sehr gut“ bewerteten. Der Inhalt der Referate wurde zu 77 % und das Niveau des Forums insgesamt zu 86 % als „gut bis sehr gut“ eingeschätzt. Die Tagungsstätte erhielt die Noten Eins und Zwei zu 91 %. Diese Ergebnisse machen Mut für ein weiteres HFUK-Kommunalforum in zwei Jahren.
Quelle: Christian Heinz, HFUK Nord
Copyright der Bilder: Holger Bauer, LFV Schleswig-Holstein
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