15.06.2013
Aktuelles | Einsatzgeschehen
Hochwasser-Einsatz 2013 in Dresden – Ein Bericht aus der Sicht eines Kameraden
Rund 377 Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren aus Hamburg sowie Kollegen der Berufsfeuerwehr waren insgesamt eine Woche beim Hochwassereinsatz in Dresden. Der Kamerad Hauke Jahn der FF Fünfhausen schildert in diesem Bericht seine ganz persönlichen Eindrücke und Erfahrungen.
Am 03.06.2013 erhielten wir um 18:30 Uhr die Nachricht, dass die Feuerwehr Hamburg ein Einsatzkontingent nach Dresden entsendet um bei der Bewältigung der Hochwasserlage zu helfen. Wir hatten von da an zwei Stunden Zeit um uns auf den bevorstehenden Einsatz vorzubereiten. Wir wussten bis dato nicht was uns erwartet. Lediglich wussten wir, dass um 0:00 Uhr die Kolonne von der Feuerwehrakademie Hamburg Richtung Dresden abfährt. Alles Nähere sollten wir auf dem Weg mitgeteilt bekommen.
Unser Team bestand aus 1 Frau und 6 Männern. Wir besetzten unser LF-20-KatS und rückten um 21:00 Uhr Richtung Feuerwehr-Akademie Hamburg aus. Dort angekommen sahen wir viele bekannte Gesichter und spekulierten über das, was uns bevorstehen sollte. Nach weiteren zwei Stunden und einer gelungenen Verabschiedung vom Hamburger Innensenator Michael Neumann setzte sich die (aus 31 Fahrzeugen) bestehende Kolonne in Richtung Dresden. Die Fahrt zog sich lange hin. Wir mussten zwei Tankstops einlegen, was mindestens eine Pause von einer Stunde bedeutete. Insgesamt betrug die Fahrzeit kräftezehrende 10 Stunden.
Um ca. 10 Uhr erreichten wir unseren ersten Sammelpunkt in Dresden. Hier konnten wir etwas frühstücken und uns kurz erholen, bevor wir erfuhren wie es weiter gehen sollte. Nach einer Stunde brachen wir schließlich Richtung Unterkunft, einem Gymnasium, auf. Unser Schlafplatz sollte eine große Turnhalle sein. Wir bezogen mit unseren Fahrzeugen Stellung und entluden unsere persönlichen Gegenstände. Wir hatten unser Quartier noch nicht ganz bezogen, da wurde es schon hektisch!
Die ersten 9 Fahrzeuge (somit auch wir) hatten soeben ihren ersten Einsatzauftrag erhalten. Unser Gruppenführer erzählte etwas von einer Schule, die mit einem Wall aus 30.000 Sandsäcken geschützt werden soll. Und schon setzte sich die Einsatzkolonne in Bewegung und es ging für uns mit Sonderrechten quer durch die Dresdner Innenstadt. Am Einsatzort (der besagten Schule) angekommen stellten wir fest, dass die Schule direkt an der Elbuferstraße lag. Das Wasser war mittags um eins noch gut 10 Meter vom Schulgebäude entfernt und breitete sich langsam aber sicher auf der Uferstraße aus. Es standen ca. 5000 Sandsäcke in drei Absetzcontainern bereit und wir begannen, damit den Fuß des Sandsackwalls zu errichten. Nach und nach wurde die Größe des Walls sichtbar und wir fragten uns wie wir den Wall ganz allein (es waren ca. 50 Kräfte vor Ort) auf Höhe bringen sollten. Zudem wurden die Sandsäcke allmählich knapp. Als endlich neue Sandsäcke eintrafen, stand das Wasser bereits auf dem Gehweg vor der Schule.
Es war ca. 15 Uhr nachmittags als nach und nach Bürger an die Einsatzstelle kamen und sich in unsere Sandsackkette einreihten. Sie waren alle hochmotiviert und unterstützten uns hervorragend. Die meisten Helfer waren zwischen 20 und 25 Jahre alt. Ältere Bürger waren kaum anwesend. Es war wirklich alles vertreten: Arbeiter, Studenten, Schüler, Arbeitslose. Ganz egal, sie wollten alle mit anpacken und ihre Stadt vor dem Wasser schützen. Dieser Idealismus rührte und motivierte uns weiter zu kämpfen. Wir waren schließlich schon seit knapp 30 Stunden auf den Beinen.
Gegen 18 Uhr abends waren gut 200 Helfer an der Einsatzstelle. Sogar fehlende Sandsäcke wurden mit Privat- und Firmenfahrzeugen sprichwörtlich „angekarrt“. „Wenn’s schnell geht, MACHT NIX“ war die Devise! Auch freiwillig gespendete Verpflegung erreichte die Einsatzstelle. Es gab alles, was das Herz begehrte: Pizza, Würstchen, belegte Brötchen, Suppe… Man war uns einfach dankbar, dass wir da waren und halfen. Wir nahmen die Spenden gerne an und machten mit den Helfern zusammen Pause. Die Sandsackkette war nun bunt gemischt, Bürger und Feuerwehrmänner und Frauen standen nebeneinander und kämpften! Das Wasser kam immer näher und gegen 22 Uhr war der Wall endlich errichtet. Keine Stunde zu spät, denn nun stand das Wasser bis an den Wall heran.
Glücklich und erschöpft traten wir den Weg Richtung Unterkunft an. Nach einem 40 stündigen Marathon lagen alle gegen 0:00 in den Kojen (Feldbetten). Mit der Info, dass um 06:00 Uhr geweckt wird (wenn nichts dazwischen kommt) schliefen wir total erschöpft ein. Am nächsten Morgen ging es um 07:30 Uhr wieder zur Einsatzstelle an der Schule. Das Wasser stand nun bereits ca. 50cm an dem Sandsackwall. Unsere Aufgabe bestand nun darin den Wall auf ganzer Länge zu sichten und zu verstärken. Wieder fanden sich unzählige Helfer ein um Sandsäcke zu befüllen und zu verteilen. Bei einem Kontrollgang entdeckten wir eine Leckage und stellten fest, dass der abschüssige Boden unter dem Wall bereits sehr aufgeweicht war. Wenn wir den aufgeweichten Hang nicht mit Sandsäcke belegen, droht der ganze Sandsackwall an dieser Stelle abzurutschen.
Über Funk forderten wir Verstärkung an. Es mussten ca. 50 Meter bis zum nächsten Sandsackcontainer mit einer Menschenkette überbrückt werden. Das bedeutet, dass ca. 100 Helfer benötigt werden. Innerhalbvon 5 Minuten standen bereits gut 50 Helfer bereit. Jeder hatte schon zwei Sandsäcke parat und wir konnten anfangen den Hang mit Sandsäcken zu belegen. Nach weiteren 5 Minuten stand die gesamte Menschenkette. Es war schier unglaublich mit welchem Elan uns die Helfer wieder einmal unterstützten.
Bis um 14 Uhr Nachmittags war der Wall belegt und wir genossen grad eine wohlverdiente Pause, als es mehrmals im inneren der Schule laut knallte und mehrere Kameraden aus dem Gebäude gestürmt kamen. Das Gebäude war von außen so gut vor dem Wasser geschützt, dass durch den enormen Druck des Grundwassers das Betonfundament im Keller aufgesprengt wurde. Nun sprudelte das Wasser von unten ins Gebäude. Sofort wurde ein Statiker an die Einsatzstelle beordert. Dieser ordnete ein vollpumpen des Kellergeschosses an um einen Gegendruck zu erzeugen, damit das Gebäude nicht noch mehr Schaden nimmt. Wir bauten eine Wasserversorgung von zwei Fahrzeugen auf und verließen um 18 Uhr die Einsatzstelle um die Heimreise anzutreten.
Die erste Ablösung von gut 70 Kräften war in Dresden angekommen und wir durften nun nach zweieinhalb Tagen harter Knochenarbeit die Heimreise antreten. An der Unterkunft angekommen, packten wir schnell unsere sieben Sachen zusammen, genossen noch schnell ein knusprig zubereitetes Zigeunerschnitzel mit Reis und Gemüse (vielen Dank an dieser Stelle an die Kameraden der FF Ottensen-Bahrenfeld, die uns während unseres Einsatzes mit dem nötigsten und noch ein bisschen mehr versorgten) und stiegen in den bereit stehenden Reisebus der Hamburger Bereitschaftspolizei. Der Bus und seine Fahrer waren alte Bekannte, Sie fuhren uns bereits 2010 nach Bonn zur Fahrzeugübernahme der neuen LF 20-KatS.
So ging es dann mit Blaulicht und Sonderrechten auf die Autobahn Richtung Hamburg. Auf der Fahrt ließen alle Kameraden diesen besonderen „Trip“ revue passieren. Wir waren allesamt überwältigt von der Freundlichkeit und Motivation der Dresdner Bevölkerung. So herzlich sind wir noch nie empfangen und aufgenommen worden. Hier wurden wir für das entlohnt wofür „Freiwillige Feuerwehr“ steht!
Text: Hauke Jahn, FF Fünfhausen
- [admin]