15.06.2013
Aktuelles
„Mein Einsatz in Dresden“ – Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse vom Hochwasser 2013 aus Sicht eines Kameraden.
Es ist Mittwochabend, der 5. Juni, als gegen 18:15 Uhr das Telefon klingelt. Es ist mein Wehrführer: „John, ich brauche in 15 Minuten zwei Kameraden mit einem Führerschein C/CE sowie aus der Nachbarwehr drei Feldköche, die morgen früh um 07:30 Uhr nach Dresden fahren können. Bitte melde Dich so schnell es geht zurück!“
‚Wow’ dachte ich. 15 Minuten ist ja mal ne Ansage. Ich habe kurz mit meiner Frau gesprochen, die ja schon vorgewarnt war, dass es evtl. losgehen könnte. Sie willigte natürlich sofort ein! Dann ran ans Telefon, jemanden aus meiner Firma erreichen, der das OK geben kann.Ich konnte nur meinen Fachverantwortlichen an seinem freien Tag erreichen, der aber glücklicherweise auch für unsere Einteilung zuständig ist.
Ich: “Thomas, ich weiß ich habe am Donnerstag und Freitag Spätschicht, aber ich werde in Dresden gebraucht. Hast du eine Möglichkeit, das irgendwie zu regeln?“
– „Gib mir 5 Minuten, ich melde mich“ sagte er und rief tatsächlich nach 5 Minuten zurück. „Geht klar! Das ist dann mein Beitrag zur Hochwasserhilfe“, scherzte er.
Aber dass er damit wirklich geholfen hat, war ihm und mir in diesem Moment noch gar nicht so klar.
Es war also alles klar, morgen früh geht es los nach Dresden…
Um halb fünf war meine Nacht zu Ende, warum weiß ich nicht. Vielleicht die innere Unruhe und etwas Aufregung. Meine Tasche hatte ich am Vorabend schon gepackt. Also in Ruhe frühstücken und sich danach von der noch schlafenden 4-jährigen Tochter und der Ehefrau verabschieden. „Macht’s gut! Ich melde mich, sobald ich angekommen bin. Ich hab Euch lieb!“
Um 06:40 Uhr kamen dann die Kameraden aus Lemsahl-Mellingstedt und holten mich vom Feuerwehrhaus Duvenstedt ab. Ich war der einzige aus unserer Wehr, da es kein anderer Kamerad schaffte, innerhalb der fünfzehn Minuten das OK der Firma zu bekommen.
Am Berliner Tor angekommen, warteten auch schon diverse andere Kameraden auf die Abfahrt. Nachdem dann das Gepäck im Bus verstaut wurde, gab es noch eine kurze Ansprache von Landesbereichsführer André Wronski und Oberbranddirektor Maurer, die uns beide viel Glück und gutes Gelingen wünschten.
Nach insgesamt ca. 7 Stunden fahrt, inkl. zwei Pausen, kamen wir in Dresden an. Auf dem Gelände des Marie Curie Gymnasiums waren die diversen Fahrzeuge untergestellt und die Turnhalle wurde als Nachtlager genutzt.
Nach einer kurzen Ansprache kam dann die Info, dass wir dann am Samstag wieder nach Hause fahren würden. Wie jetzt Samstag? Mir wurde gesagt, dass wir am Donnerstagmorgen losfahren, dann 24 Stunden in Dresden tätig sind und dann am Freitagnachmittag wieder nach Hamburg fahren.
Ok, dachte ich, das klären wir später.
Nun ging´s an die Fahrzeugeinteilung. Ich hatte das Fahrzeug der FF Lokstedt zu besetzen. Dazu wurden noch 6 andere Namen aufgerufen, die ich natürlich vorher noch nie gehört hatte. Alle Gruppen sollten sich direkt an den Fahrzeugen einfinden um das Fahrzeug zu übernehmen und um die Gruppe kennen zu lernen.
Ich war der Erste am Lokstedter LF und musste noch etwas warten.
Da kam sie dann die Truppe, mit der ich die nächsten Tage ein Fahrzeug teilen sollte. „Moin, ich bin Jan. Hast du einen CE-Führerschein?“ – „Ja, hab ich“ sagte ich.
„Gut“ sagte Jan, „dann bist du unserer Fahrer, ich würde gerne den Gruppenführer machen“ sagte Jan.
Gesagt, getan.
Die ganze Gruppe bestand aus:
Jan – FF-Schnelsen
Sasha – FF-Schnelsen
Tobias – FF-Schnelsen
Lukas – FF-Schnelsen
Hannes – FF-Schnelsen
Kai – FF-Sinstorf
Und mir, John – FF-Duvenstedt
Somit nur eine Gesamtstärke von 1/6, aber das schaffen wir schon.
Nach der Übernahme des Fahrzeugs haben wir dann erstmal unsere (Feld)betten bezogen. Wir haben uns als Gruppe natürlich Betten gesucht, die möglichst alle nebeneinander sind. Falls wir nachts mal los müssen, wird dann nicht die ganze Turnhalle wach.
Danach trafen wir uns dann alle am Versorgungszelt und warteten auf den ersten Einsatz. In der Zwischenzeit hatte wir erstmal Zeit uns näher kennenzulernen. Und wie sich ganz schnell herausstellte, schien es eine lustige Zeit zu werden. Die Chemie stimmte auf Anhieb und wir verstanden uns gleich Bestens.
Langsam machte sich aber der Magen bemerkbar. Aufgrund bis heute für unklarer Umstände wurde die Essenszeit von 18:00Uhr auf 21:00Uhr verlegt. Und war es leider erst 19:30Uhr.
Fünf Minuten später klang es aus dem Laufsprecher des Versammlungs-platzes: „Fahrzeugführer FF Lokstedt bitte zum GW-FM!“
Nun geht’s los, der erste Einsatz.
Als Jan wieder kam sagte er uns: „Abfahrt in zehn Minuten. Wir treffen uns gleich am Fahrzeug!“
Nun ging es los. In einem Konvoi aus 3 LF, geführt von einem ELW, fuhren wir ca. 15 Minuten (natürlich mit Sonderrechten) zur Einsatzstelle des ersten Fahrzeugs. Von dort aus fuhren wir dann in Eigenregie zu unserer Einsatzstelle „Am alten Elbarm“. Dank der heutigen Technik hatten wir keine Probleme, die ca. 1,5 km entfernte Straße zu finden. Ein Navi auf dem Handy ist schon was Tolles.
Kurz nach uns traf auch der für uns zuständige Bereichsführer ein, der uns die Lage schilderte. Es handelte sich um ein Wohngebiet, das in einem früheren Nebenarm der Elbe gebaut wurde. Das Nachbargrundstück, eine Fläche mit ca. 40 Pkw-Garagen, stand schon zu ca. 50-60cm unter Wasser.
Die Anwohner hatten schon begonnen eine Wall aus Sandsäcken zu errichten um das Wasser von ihren Gärten fernzuhalten. Das geling auch anfänglich aber das Wasser stieg stetig an.
Unsere Aufgabe bestand aber lediglich darin, das Wasser aus dem Grundwassersiel mithilfe der Fahrzeugpumpe abzupumpen und auf eine ca. 400m entfernte Ausgleichsfläche zu leiten.
Wir tauschten also schnell unser Fahrzeug mit dem der vor Ort befindlichen Ortsfeuerwehr aus Dresden und lösten diese ab. Der Wechsel musste sehr schnell gehen, da innerhalb von zwei Minuten die Straße wieder ca. 10cm hoch unter Wasser stand.
Der Wechsel war schnell erledigt und nun hieß es warten, wie sich die Situation entwickelt. In diesem Moment kam auch schon der erste, von der FF Dresden bestellte Absetzcontainer mit Sandsäcken. Wir sollten ja eigentlich nur pumpen, aber wie es sich gehört, haben wir kurzer Hand mit angepackt und den Anwohnern beim Sandsackverbau geholfen.
Schnell stellte sich heraus, dass diese paar, ich glaube es waren 500 Sandsäcke, nicht ausreichen würden. Wir haben also unseren zuständigen Bereichsführer angefunkt und weitere 1000 Sandsäcke bestellt.
Nach ca. 1 Stunde sind dann auch diese Säcke mit einem 40t Lkw angeliefert worden. Wieder wurde aus den Anwohner und uns eine Kette gebildet und die Säcke direkt verbaut.
Gegen 22:00 Uhr kam dann zu Glück auch die Versorgung mit dem langersehnten Essen. Kassler mit Sauerkraut, Kartoffeln und Sauce. Lecker! Genau das brauchten wir jetzt auch.
Bis ca. 02:15 Uhr haben wir dann ununterbochen weiter gepumpt und gemeinsam mit den Anwohnern den Sandsackwall gesichert und begutachtet. Dann wurden wir von der Gruppe mit dem Fahrzeug der FF Wellingsbüttel abgelöst.
Wie sich dann herausstellte als wir wieder in Hamburg waren, war der Einsatz sehr erfolgreich und die Häuser der Anwohner konnten vor eindringendem Wasser geschützt werden. Für uns war an dieser Einsatzstelle besonders bemerkenswert, dass sehr viele Personen aus der Bevölkerung geholfen haben, die gar nicht in diesem Wohngebiet ansässig waren. Hier wurde sich sehr viel über Facebook und andere soziale Netzwerke verständigt und sehr effektiv geholfen.
Dann ging es zurück zu Unterkunft, die wir ca. gegen 03:00Uhr erreichten. Noch kurz mit der Gruppe zusammengesessen, dann Zähneputzen und gegen 03:30 Uhr ziemlich kaputt ins Bett gefallen. Da hat einem das Schnarchen der ca. 50 anderen Kameraden auch nichts mehr ausgemacht.
07:30 Uhr: Aufstehen, frühstücken! Nach einer sehr kurzen Nacht nahmen wir dann ein kurzes Frühstück zu uns und danach ging es dann auch schon wieder zur nächsten Einsatzstelle. Sicherung einer Schule – Terrassenufer
An dieser Einsatzstelle ging es darum, eine Grundschule mit Hilfe von Sandsäcken vor dem Wasser der sonst ca. 300 m entfernten Elbe zu schützen. Nun stand das Elbwasser bereits im Eingang des Schul-gebäudes.
Diverse Einheiten vor uns hatten schon einen beachtlichen Sandsackwall von ca. 150cm Höhe erbaut. Dieser musste nun weiter gesichert werden, da der Druck der Elbe immer größer wurde.
Da der Sandsackwall bereits unterspült wurde und auch das Grundwasser immer weiter anstieg wurde der gesamte der Keller der Schule gezielt mit Wasser geflutet um einen Gegendruck zu erzeugen. Nur so konnte eine Beschädigung am Mauerwerk verhindert werden. Es war schon sehr merkwürdig für uns, da wir noch normalerweise immer Keller auspumpen und nicht voll laufen lassen.
Nun ging es darum die Sandsäcke vom hinteren Teil der Schule nach vorne zu bringen. Da alle Türen der Schule bereits mit Sandsäcken verbarrikadiert waren, blieb uns keine andere Möglichkeit, als die Säcke durch eine lange Menschenkette durch ein Fenster durch das gesamte Gebäude zu transportieren. Glücklicherweise kam auf einmal eine Einheit der Bundeswehr, das Panzergrenadierbataillon aus Gera, mit ca. 50 Kräften um die Ecke und brachten gleich noch diverse Sandsäcke mit. Also mit allen eine lange Kette durch Gebäude gebildet und vor dem Eingang der Schule direkt verbaut.
Auch an dieser Einsatzstelle hielten wir uns ca. 6 Stunden auf, bevor es zurück zur Unterkunft ging.
Als wir wieder in der Unterkunft waren wurde uns schon ‚angedroht’, dass es für uns bald wieder losgehen würde. So nutzten wir die Zeit und gingen schnell in das Schwimmbad in der Nähe um dort ausgiebig zu duschen. Dies wurde uns vom Schwimmbad kostenlos ermöglicht.
Vielen Dank dafür.
Ich glaube, ich habe mich lange nicht mehr so sehr über eine Dusche gefreut. Nach dem Duschen konnten wir uns dann für ca. eine Stunde ausruhen, dann Abendessen und danach wieder los zur nächsten Einsatzstelle.
An dieser Einsatzstelle wurde auch das Grundwasser umgepumpt aber nach viereinhalb Stunden pumpen brachen wir diese Einsatzstelle ab und fuhren noch zu zwei weiteren Einsatzstellen, an denen wir aber nicht tätig werden mussten.
Auch an diesem Abend waren wir wieder ziemlich kaputt und erst wieder gegen 02:30 Uhr im Bett aber wir waren mittlerweile eine wirklich super Truppe. Als würden wir uns schon ewig kennen und immer schon zusammen arbeiten. Wir hatten auch die ganze Zeit sehr viel Spaß und trotz des ernsten Einsatzes konnten wir auch herzlich miteinander lachen.
Samstag – Abreistag
Einsatz vor dem Frühstück! Kurzes Gespräch mit Innensenator Neumann.
An diesem Morgen ging es bereits gegen 7:30 Uhr zum nächsten Einsatz. Die meisten von uns hatten noch nicht einmal gefrühstückt, aber man kann nun mal nicht alles haben. Bis sich alle am Fahrzeug versammelt hatten, haben wir noch kurz die Möglichkeit gehabt mit Hamburgs Innensenator Neumann zu sprechen, der sich persönlich ein Bild der Lage in Dresden machen wollte und speziell das Gespräch mit den helfenden Kameraden aus Hamburg gesucht hat. Für uns ein kurzes aber sehr nettes Gespräch.
Aber nun mussten wir los. Es ging wieder zur Schule. Aber diesmal nicht zum Sandsackverbau, sondern nur zum weiterhin gezielten Fluten des Kellers. Das Wasser war zum Glück bereits etwas zurück gegangen und wir konnten die Straße vor der Schule zum Teil befahren um dann mit 2 TS und der Fahrzeugpumpe aus der Elbe Wasser zum Keller pumpen.
Um 12:00 Uhr kam dann die erlösende Nachricht. Wir werden in ca. 30 Minuten abgelöst und um 14:00Uhr treten wir die Heimreise nach Hamburg an. Als die Ablösung dann kam, übergaben wir die Einsatzstelle an die Kameraden und wurden dann von dem LF der FF Wilhelmsburg zur Unterkunft gefahren.
Dann hieß es Sachen packen, Feldbetten und Bettzeug zurück zum Lkw bringen und das ganze Gepäck in den 8 LF und 3 Booten verstauen, die heute nach Hamburg zurück fahren. Gesagt, getan – um 14:00 Uhr ging es im Konvoi zurück nach Hamburg, wo wir nach zwei Tankstopps gegen 22:00 Uhr sehr müde ankamen.
Die Verabschiedung ‚meiner’ Truppe vom LF Lokstedt 2 durfte natürlich nicht fehlen. Wir hatten natürlich schon vorher unsere Handynummern ausgetauscht und verabredeten uns schon mal dafür, dass wir in absehbarer Zeit mal zusammen ein Bier trinken gehen, um all das Erlebte noch mal Revue passieren zu lassen.
Wir sind heute noch, eine Woche später, in täglichem Kontakt mit der ganze Gruppe und es wird sicherlich bald ein Treffen geben.
Alles in allem für mich sehr außergewöhnliche drei Tage, die mir sehr viel Spaß gemacht haben, in denen ich zusammen mit meinen Kameraden der Feuerwehr Hamburg erfolgreich helfen konnte und zudem noch neue Freunde gefunden habe.
In diesem Sinne:
Vielen Dank an Jan, Sasha, Tobi, Lukas, Hannes und Kai für die tolle Zeit!
Ende von Florian Hamburg Lokstedt 2
Text und Foto: John Goerling, FF Duvenstedt
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