Nachwuchs gesucht FHH Portal Sponsoren

Rund um die Uhr einsatzbereit: Für uns Ehrensache!

Freiwillige Feuerwehr Hamburg

22.12.2023
Einsatzgeschehen | Wehrartikel

FEUER 6 aus Sicht eines Wehrführers


„Es ist Ostersonntag, der 9. April 2023, als um 4:42 Uhr in der Tiefschlafphase mein Melder und die Melder aller Kameradinnen und Kameraden der FF Moorfleet auslöst."

Beim FEUER 6 in der Billstraße im Frühjahr diesen Jahres kamen neben diversen Löschzügen und Sonderdiensten auch 54 Freiwillige Feuerwehren und 12 Bereichsführer sowie die Landesbereichsführung über mehrere Tage zum Einsatz (Wir berichteten am 17. 04.2023). Dieser Artikel widmet sich dem Erfahrungsbericht des Wehrführers Marco Cholewa der Freiwilligen Feuerwehr Moorfleet, welcher als erster Einsatzleiter vor Ort eintraf und schnell den Ernst und das Ausmaß der Lage erkennen musste.

„Auf dem DME ist die Meldung „FEUK“ zu lesen, als Adresse ist die Billstraße 193 angegeben. Im Feuerwehrhaus angekommen nehme ich die Depesche aus dem Drucker, auf der unter den zusätzlichen Informationen steht, dass ein Auto auf einem Betriebshof brennen soll und wir als Freiwillige Feuerwehr allein alarmiert sind. Ich weise als Einsatzleiter den Angriffstrupp des ersten Fahrzeuges an, sich mit PA auszurüsten. Da dies nicht unser erster Einsatz in der Billstraße ist und wir genau wissen, dass man sich nie sicher sein kann, was einen dort genau erwartet, entschließe ich mich dazu mich über Funk bei der Leistelle zu erkundigen, ob sie nähere Angaben zu unserem Einsatz haben. Der Disponent verneint dies. Einige Kameradinnen und Kameraden fahren das Feuerwehrhaus an, ziehen sich in Windeseile um und sobald das Fahrzeug mit einer Staffel besetzt ist, entscheide ich mich dazu auszurücken.

Wir sind gerade auf der Einsatzfahrt beim Kraftwerk Tiefstack vorbei, als über Funk die Meldung kommt „Erhöhung der Alarmstufe auf FEUER, brennen mehrere Waschmaschinen“. Laut dem Disponenten kam eine Rückmeldung von der Polizei, die bereits vor Ort sei. Der Zug 33 der Wache Veddel wird dem Einsatz zugeordnet und ist mit raus. An der Einmündung Billstraße, Ecke Gustav-Kunst-Straße, können wir bereits größere Rauchwolken und Feuerschein erkennen. Als erster Einsatzleiter vor Ort entscheide ich mich zu diesem Zeitpunkt dazu zweiten Alarm zu geben. Es ist zu erkennen, dass bereits mehrere Waschmaschinen, ein PKW, der auf einem eingezäunten Hof steht, und zwei angrenzende Lagerhallen begonnen haben zu brennen.

Mein Angriffstrupp setzt seinen Verteiler, schließt das erste C-Rohr an und hält den Wasserstrahl auf die Feuerstelle. Der Wassertrupp sägt mit dem elektrischen Fuchsschwanz die Zaunpforte auf und gibt somit den Innenhof frei. Bereits nach wenigen Augenblicken hat das Feuer die rechts angrenzende Lagerhalle fast vollständig eingenommen und aus dem Dach der Lagerhalle auf der linken Seite steigen weitere Rauchwolken und Flammen auf.  Neben dem Angriffstrupp knallt es mehrfach und es fliegen die ersten Scheiben raus, das Glas kann der Hitze nicht standhalten und die Flammen erstrecken sich mittlerweile über den ganzen Innenraum der rechten Halle. Ziemlich schnell kristallisiert sich eines der Grundprobleme des Einsatzes heraus: Die Wasserversorgung. Mein Wassertrupp rollt zeitgleich die gesamte Haspel ab, verlegt zusätzliche B-Rollschläuche und stößt erst nach über 200 Metern auf einen Hydranten mit gerade mal einer 100er Leitung. Trotz aller Bemühungen ist die Wassermenge nicht ausreichend für die Dimension, die das Feuer zu dem Zeitpunkt schon angenommen hat.

Wenig später trifft auch schon der Zug 33 an der Einsatzstelle ein. Ich spreche mit dem Zugführer, zeige ihm welche Maßnahmen wir bislang ergriffen haben und weise deutlich auf das Grundproblem mit der Wasserversorgung hin. Aus den Erfahrungen der früheren Einsätze in der Billstraße weiß ich, dass sich die Versorgung hier schon immer als schwierig gestaltet hat und gebe den Gedankenanstoß eine Wasserversorgungswehr zu alarmieren, die dann von der Brücke über die Bille hinterm Technikzentrum F03 aus offenem Gewässer Wasser fördern kann. Der Zugführer bedankt sich für den Hinweis und gibt als Rückmeldung an die Einsatzzentale die Alarmstichworterhöhung „FEU3“. 

Während der Angriffstrupp weiterhin versucht zu löschen und mit seinem Strahlrohr die Ausbreitung auf die nächste angrenzende Lagerhalle zu verhindern, ist unsere Aufgabe sämtliche Schlösser der betroffenen und unmittelbar angrenzenden Lagerhallen aufzubrechen, da von außen nicht klar ersichtlich ist, was in diesen Hallen gelagert wird. Um einen Überblick über die gelagerten Waren zu gewinnen, spreizen wir mit dem Spreizer ein Rolltor auf, schlagen Scheiben ein bei einer Lagerhalle, die so zugestellt ist, dass man die Tür nur einen Fußbreit öffnen kann, und öffnen eine weitere Tür mit dem Ziehfix. In der ersten Lagerhalle kommt zu diesem Zeitpunkt schon das Blechdach runter, die erste Drehleiter unternimmt Löschversuche aus dem Korb. Allmählich füllt sich die Billstraße mit immer mehr Feuerwehrfahrzeugen und die vielen dunklen Rauchwolken am Nachthimmel werden zu einem riesigen Rauchpilz über den unendlich erscheinenden, meterhohen Flammen. Mittlerweile sind wir bei der Alarmstufe FEUER 4.

Ich höre mit einem Mal meinen Maschinisten vom ersten Fahrzeug aus rufen und sehe, dass die Lagerhalle vor der wir unser HLF abgestellt hatten, binnen kürzester Zeit ebenfalls in Vollbrand geraten war. Wir nehmen ein weiteres Rohr vor und die erste Lagebesprechung findet am Fahrzeug des B-Dienstes statt. Diese ergibt, dass wir unsere Maßnahmen fortsetzen und alle nicht-PA-Träger als Vorsichtsmaßnahme Masken mit Schraubfiltern aufsetzen. Im Verlauf der Löscharbeiten wird vom A-Dienst die Anweisung gegeben, die ursprüngliche Einsatzstelle, an der das Feuer mutmaßlich ausgebrochen war, aufzugeben um mit allen uns verfügbaren Mitteln die anliegenden, noch nicht vom Brand betroffenen Gebäude zu schützen. Der Maschinist versetzt unser erstes Fahrzeug und mein Wassertrupp besetzt ein anderes Strahlrohr, welches das Feuer seitlich in Schach halten soll.

Zwischenzeitlich bekommen wir zusätzlich die Meldung mit, dass in einer sich in der Nähe befindlichen Abbruchhalle mehrere IBC`s mit Gefahrgut ausgelaufen sind. Die Gefahrstoffe laufen in die Kanalisation und aus den Gullys, die sich die Billstraße entlangziehen, steigt Dampf auf. Zu diesem Zeitpunkt hat das Feuer in dem Industriegebiet in Rothenburgsort die höchste in Hamburg mögliche Feuerstufe erreicht: FEUER 6.

Unser zweites Fahrzeug trifft am Einsatzort ein, mit allen Atemschutzmasken im Schlepptau, die wir am Feuerwehrhaus noch gelagert haben und zusätzlichen Filtern vom LF Moorfleet 2. Vom Zugführer 33 kommt der Befehl, dass ein Trupp unter PA auf die uns zugeordnete Drehleiter gehen soll, um von oben auf das Feuer einzuwirken. Der Gruppenführer vom zweiten Fahrzeug erkundet parallel auf dem gegenüberliegenden Grundstück, ob es eine Möglichkeit gibt, von dort mit der TS Wasser zu fördern, da das Wasser immer noch knapp ist. Die örtlichen Gegebenheiten lassen dies allerdings nicht zu – selbst wenn nicht alles mit Matratzen, Lattenrosten, alten Fernsehern und anderem Zeug verstellt und umzäunt wäre, würde der steile Abhang und die hohe Kante zum Gewässer der Bille dies unmöglich machen.

Zwei meiner Trupps gehen unter Atemschutz auf die Drehleiter, löschen von oben brennende Kühlschränke und beteiligen sich daran, die vordere Lagerhalle seitlich mit dem Wasserwerfer der Drehleiter zu halten. Währenddessen kühlt der Wassertrupp auf dem Hinterhof des Geländes ein 200 Liter Dieselfass, welches sich immer weiter erwärmt.

Um 11:40 Uhr, nach rund sieben Stunden Einsatz kommt unsere Ablösung, die FF Altengamme. Da unser Scania allerdings so zentral in der Straße steht, zwischen etlichen Schläuchen und anderen Fahrzeugen, können wir nicht mit unserem ersten Fahrzeug die Einsatzstelle wieder verlassen. Wir übergeben unser Löschfahrzeug der FF Altengamme und fahren mit ihrem HLF in die Großmannstraße, um unsere kontaminierten Klamotten, verpackt in Plastiksäcken, vor die Kleiderkammer von F03 zu stellen. An unserem Feuerwehrhaus suchen wir neue V-Force Bekleidung und Handschuhe raus, füllen unser zweites Fahrzeug mit dem auf, was wir noch vorrätig am Feuerwehrhaus haben und beginnen nach diesen intensiven Morgenstunden in unserem Nachbarstadtteil gegen 13 Uhr mit belegten Brötchen und Kaffee unser ganz eigenes Osterfrühstück. Alle Kameradinnen und Kameraden fahren nach Hause, um sich von diesem Einsatz zu erholen und Zeit mit ihren Liebsten zu verbringen. Die Wehr bleibt bis um 17 Uhr ausgemeldet.

Es ist bereits der darauffolgende Tag, Ostermontag der 10. April 2023, als um 15:10 Uhr erneut der Melder losgeht. Die Adresse ist bekannt, das Stichwort auf unseren Meldern diesmal „FEU6“. Allerdings wird nun unser Typ 2 Kleinboot angefordert. Es wird benötigt für das Ausbringen von Ölschlängeln auf der Bille. Durch verunreinigtes Oberflächenwasser, welches in die Bille gelaufen war, befindet sich an mehreren Stellen ein Ölteppich auf dem Wasser, den es gilt einzudämmen.  Nach Absprache mit der BUKEA (Umweltbehörde) liefert F32 diverse Pakete gefüllt mit Ölschlängeln. Wir öffnen die Pakete und verknüpfen die Ölschlängel zu mehreren Ölsperren, die wir auf der Bille in mehreren Lagen gemeinsam mit den Kameradinnen und Kameraden der FF Reitbrook verlegen. Wir holen die Boote aus dem Wasser und beenden damit unseren Einsatz an der Billstraße.

Abschließend bleibt mir noch zu sagen, dass wir ein tolles Team sind, welches alles gegeben hat mit den Mitteln und dem Know-How, was uns zur Verfügung stand. Bedanken möchte ich mich bei allen Kameradinnen und Kameraden, die beim Einsatz mit dabei waren für die gute Zusammenarbeit und das angenehme Arbeiten. Wir konnten zusammen bei diesem Einsatz Erfahrungen sammeln, die uns alle bereichert haben und vielleicht auch für den einen oder anderen künftigen Einsatz sich sicher noch als nützlich erweisen werden.“

- [a.schefler]